Die Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems steht und fällt mit dem Arbeitsmarkt – insbesondere mit der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer:innen. Immer wieder heißt es: Über eine Anhebung des Pensionsantrittsalters zu diskutieren, sei überflüssig, solange ein Großteil der Menschen das gesetzliche Pensionsalter von 65 Jahren ohnehin nicht erreicht.
In den letzten Wochen wurde – zu Recht – wiederholt auf die niedrigen Beschäftigungsquoten älterer Arbeitnehmer:innen in Österreich hingewiesen. Die Reaktion einiger Parteien und Interessensvertretungen – etwa AK, ÖGB, SPÖ und Grüne – ließ nicht lange auf sich warten: Sie fordern Sanktionen für Unternehmen, die unterdurchschnittlich viele ältere Beschäftigte haben – etwa über höhere Lohnnebenkosten.
Warum solche Strafmaßnahmen am Kern des Problems vorbeigehen, wenig zur Verbesserung der aktuellen Situation beitragen und strukturelle Probleme unangetastet lassen, erläutere ich in diesem Beitrag.
Die Lage am Arbeitsmarkt – Fakten statt Schlagzeilen
Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen müssen auf einer fundierten Analyse beruhen. Was wir aktuell sehen, ist ein Arbeitsmarkt, der stark von Arbeits- und Fachkräftemangel geprägt ist. Qualifizierte Arbeitskräfte sind begehrt – Unternehmen tun viel, um sie zu halten. Der Vorwurf, Betriebe würden ältere Arbeitnehmer:innen bewusst loswerden wollen, um sie durch günstigere, jüngere zu ersetzen, hält einem Realitätscheck kaum stand. In vielen Branchen fehlt schlichtweg der Nachwuchs, um eine solche Strategie überhaupt umzusetzen.
Ein Blick auf die Zahlen:
Die Arbeitslosenquote der über 50-Jährigen liegt kaum über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.1
Statistisch problematisch ist weniger der Eintritt in die Arbeitslosigkeit2, sondern die Dauer: Wer über 50 einmal arbeitslos ist – insbesondere mit gesundheitlichen Einschränkungen – bleibt oft länger draußen.
Fast ein Drittel der Arbeitssuchenden gibt gesundheitliche Einschränkungen an – bei Älteren und Langzeitarbeitslosen ist der Anteil noch höher.
Hier liegt ein zentraler Hebel: Es fehlt an gezielter Rehabilitation, Umschulung und Unterstützung. Stattdessen landen Betroffene oft im Drehtüreffekt zwischen AMS, PVA und Krankenversicherung.
Arbeitslosenquote ≠ Beschäftigungsquote
Die Arbeitslosenquote sagt nicht alles. Viel entscheidender für unsere Systemfragen ist die Beschäftigungsquote – also wie viele Menschen einer Altersgruppe überhaupt am Arbeitsmarkt teilnehmen. Und hier schneidet Österreich im internationalen Vergleich bei älteren Arbeitnehmer:innen schwach ab – das zeigt ein Vergleich von Daten von Eurostat und der OECD zur Beschäftigungsquote der 55-64-Jährigen in ausgewählten Staaten3:
Österreich
58,8%
EU-Schnitt
65,4%
Island
80,9%
Schweden
78,1%
Niederlande
75,3%
Deutschland
75,2%
Schweiz
75,1%
Dänemark
75,0%
Warum schneit hier Österreich so schlecht ab?
Oft wird angenommen, dass die Österreicher:innen deshalb nicht bis 65 arbeiten, weil sie im Alter krank und/oder arbeitslos werden. Zahlen des Sozialministerium4 und der Pensionsversicherung5 zeichnen aber ein differenziertes Bild: Die Menschen gehen vor 65 in Pension, weil sie es einfach können, nicht weil sie müssen - oft über großzügige Frühpensionsmodelle. Diese wirken direkt auf die Beschäftigungsquote, da Betroffene nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Wer die Beschäftigungsquote Älterer erhöhen möchte, kommt um die Einschränkung von Frühpensionierungsmodellen nicht umher. Genau das machen wir in der Bundesregierung auch durch die Einschränkung der Korridorpension, oder dem neuen Modell der Teilpension.
Was nicht funktioniert hat – und warum
Lohnnebenkostenbefreiung (LNK): Vergangene Versuche, Unternehmen durch die Befreiung von Lohnnebenkosten zur Beschäftigung Älterer zu animieren, zeigen kaum Wirkung. Eine Evaluierung des Dachverbands der Sozialversicherungsträger belegt: Ob dieMaßnahme tatsächlich eine Auswirkung auf die Beschäftigung Älterer gehabt hat, kann nicht nachgewiesen werden.[1]
Bonus/Malus-System: Der Vorschlag, Unternehmen für geringe ältere Beschäftigung zu bestrafen oder bei hoher Quote zu belohnen, wurde nie umgesetzt – zurecht. Es ist wenig zielführend, Unternehmen zu sanktionieren, wenn das System dahinter nicht funktioniert und gleichzeitig kaum Anreize existieren, ältere Menschen über das frühestmögliche Pensionsalter hinaus zu beschäftigen.
Auflösungsabgabe: Diese wurde abgeschafft. Zwar zeigte eine Evaluierung Effekte auf Kündigungsverhalten, allerdings stammt die Studie aus einer anderen arbeitsmarktpolitischen Zeit – der heutige „Arbeitnehmermarkt“ stellt völlig neue Rahmenbedingungen dar.7
Was es jetzt braucht: Zielgerichtete Maßnahmen statt Symbolpolitik
1. Positive Anreize statt Straflogik Kombilohnmodelle und gezielte Eingliederungsbeihilfen können wirksam sein, besonders für langzeitarbeitslose Ältere – die wesentliche Problemgruppe. Es braucht womöglich Anpassungen in den Förderrichtlinien, um diese Instrumente flexibler und wirkungsvoller zu gestalten.
2. Gesundheitsprobleme frühzeitig angehen Der hohe Anteil gesundheitlich eingeschränkter arbeitssuchender Älterer erfordert gezielte Reha-Programme, Qualifizierungsangebote und eine engere Zusammenarbeit zwischen AMS, Sozialversicherungsträgern und Unternehmen. Dafür müssen wir geplante Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm rasch in Umsetzung bringen:
Reform des Rehageldes im Hinblick auf regelmäßige Neubeurteilungen, Umschulungsmöglichkeiten, usw.
Teilarbeitsfähigkeit: Für Menschen mit chronischen Erkrankungen können flexible Modelle zwischen Erwerbstätigkeit und Schonung langfristige Invaliditätspensionen vermeiden – und gleichzeitig den Arbeitskräftebedarf abfedern.
Einheitliche Begutachtungsstelle: Schluss mit dem Hin- und Herschicken der Betroffenen zwischen PVA, KV und AMS. Eine zentrale Stelle schafft klare Zuständigkeiten und reduziert bürokratischen Aufwand.
Fazit: Wer echte Lösungen will, muss an die Systemfrage ran
Österreich kann sich in Zeiten von Personalmangel und wachsendem Pensionsdruck nicht mehr leisten ältere Menschen in die Pension zu schicken. Der Ruf nach Sanktionen für Unternehmen lenkt aber vom eigentlichen Problem ab: Unser System schafft nicht dir richtigen Rahmenbedingungen und Anreize, Ältere länger im Erwerbsleben zu halten.
Was es braucht, sind keine Denkverbote, sondern mutige Reformen. Denn nur wenn wir es schaffen, mehr Menschen bis zum gesetzlichen Pensionsalter in Beschäftigung zu halten, können wir die Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems ein wenig besser ermöglichen – und schaffen Fairness für alle Generationen.
Nachhaltigkeitsmechanismus: Der Airbag fürs Pensionssystem - Interview
Wir NEOS haben den Mut, dort anzupacken, wo andere seit Jahrzehnten zuschauen: beim Pensionssystem. Abgeordneter und NEOS-Sprecher für Arbeit und Soziales Johannes Gasser erklärt im Gespräch, warum der neue Nachhaltigkeitsmechanismus ein echter Systemwechsel ist, wie wir damit politische Kurzsichtigkeit beenden und langfristige Budgetverantwortung ins Zentrum der Pensionspolitik rücken.
Ein aktueller Fall bringt ein strukturelles Problem auf den Punkt: Wenn sich Arbeit kaum mehr lohnt, haben wir eine Schieflage im System. Warum es sich in Wien unter diesen Voraussetzungen für manche nicht auszahlt zu arbeiten und wie es andere Bundesländer gerechter gestalten:
dieses Budget muss der Anfang echter Reformen sein
Dieses Budget ist kein lauter Paukenschlag, aber ein klarer Kurswechsel: Weg vom Verteilen ohne Wirkung – hin zu strukturellen Reformen, die langfristig tragen. Von der größten Pensionsreform seit 20 Jahren über gezielte Investitionen in ein modernes Gesundheitssystem bis hin zu einer wirksameren Familien- und Arbeitsmarktpolitik: Wir setzen auf Nachhaltigkeit, Treffsicherheit und echte Verantwortung. Für ein Budget, das wieder Wirkung zeigt – und Zukunft schafft.