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9.000 Euro Mindestsicherung?  

Johannes Gasser
Johannes Gasser

Ein aktueller Fall bringt ein strukturelles Problem auf den Punkt: Wenn sich Arbeit kaum mehr lohnt, haben wir eine Schieflage im System. 

Warum es sich in Wien unter diesen Voraussetzungen für manche nicht auszahlt zu arbeiten und wie es andere Bundesländer gerechter gestalten: 

Reformoptionen für die Wiener Mindestsicherung

In den letzten Wochen sorgte ein Fall für Schlagzeilen: Eine syrische Großfamilie soll in Wien rund 9.000 Euro Mindestsicherung* beziehen (mehr dazu hier). Zu Recht wird dieser Fall intensiv diskutiert. Denn gerade jene, die täglich arbeiten und ihren Beitrag leisten, stellen sich die Frage: Lohnt sich Arbeiten überhaupt noch?

Zahlt sich Arbeit aus?

Viele Beispiele zeigen, dass sich Erwerbsarbeit in solchen Konstellationen nicht lohnt. Genau das ist ein strukturelles Problem, das wir in der Wiener Mindestsicherung beobachten. Mit jedem zusätzlichen Kind steigt die Mindestsicherung – und damit vergrößert sich der Abstand zu dem, was man am Arbeitsmarkt verdienen kann, immer weiter.

Warum ist das so? Während die Mindestsicherung für jedes Kind gleich hoch ausbezahlt wird, steigt das Gehalt in einem Job nicht automatisch mit der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder. Selbst wenn man Familienleistungen wie Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Familienbonus und weitere steuerliche Vorteile einrechnet (die übrigens auch Mindestsicherungsbezieher:innen erhalten), bleibt ein entscheidender Anreiz zur Erwerbstätigkeit oft aus. Eine klassische Inaktivitätsfalle!

Sonderfall Wien

In anderen Bundesländern wären solch hohe Gesamtleistungen gar nicht möglich – selbst bei Familien mit vielen Kindern. Das von Türkis-Blau eingeführte Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hat für Mehrkindfamilien nämlich Obergrenzen festgelegt. Zudem sieht das Gesetz vor, dass subsidiär Schutzberechtigte (also Menschen mit temporärem Asylstatus) in der Grundversorgung bleiben.

Wien hat sich jedoch entschieden, das Grundsatzgesetz nicht vollständig umzusetzen – ähnlich wie das Land Tirol.

Diese Sonderregelungen betreffen sowohl die Kinderrichtsätze als auch den Umgang mit subsidiär Schutzberechtigten. Letzteres ist zumindest teilweise nachvollziehbar, hat aber klare Konsequenzen: Wien wird für diese Zielgruppe besonders attraktiv – nicht nur aufgrund der besseren Vernetzung in Communities, sondern auch wegen der höheren Mindestsicherung.

Die Integrationsherausforderungen für die Stadt steigen damit erheblich. Eine von uns NEOS geforderte Residenzpflicht für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte könnte hier für eine gerechtere Lastenverteilung sorgen (mehr dazu hier)

Was machen andere Bundesländer? – Das Beispiel Vorarlberg

Wie lässt sich verhindern, dass so hohe Kinderrichtsätze und damit hohe Gesamtleistungen ausbezahlt werden?

Vorarlberg – damals unter einer schwarz-grünen Landesregierung – hat das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz umgesetzt und damit gezeigt, wie es gehen kann. (Trotz anderslautender Behauptungen aus Wien – mehr dazu hier)

Die Unterschiede zu Wien im Überblick:

  • Deckelung der Geldleistung: In Vorarlberg liegt die maximale direkte Geldleistung bei rund 2.000 Euro.
  • Berücksichtigung von Wohnkosten: Es wird automatisch angenommen, dass 40 % der Sozialhilfe für Wohnkosten verwendet werden. Das reduziert die direkte Geldleistung und stellt sicher, dass Mittel indirekt als Sachleistung bei den Kindern ankommen.
  • Degressive Kinderrichtsätze: Mit zunehmender Kinderanzahl sinkt der Betrag pro Kind.

Neue Regierung – alles neu?

Die neue Bundesregierung – mit Beteiligung der NEOS – hat sich auf eine grundlegende Reform der Sozialhilfe geeinigt. Künftig soll die Arbeitsmarktintegration im Mittelpunkt stehen: Wer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, soll seine Unterstützung direkt über das AMS erhalten.

Auch für Menschen mit Fluchthintergrund ist eine eigene, niedrigere Leistung als die klassische Sozialhilfe vorgesehen – um gezielt Erwerbsanreize zu schaffen. Der unterschiedliche Umgang mit subsidiär Schutzberechtigten soll beendet werden. Die Leistungen für Kinder sollen unter dem Gesichtspunkt von Arbeitsanreizen neu gedacht werden – Sachleistungen stehen für uns NEOS im Vordergrund.

Diese Reform ist ambitioniert und komplex – eine Umsetzung vor 2027 ist kaum realistisch. Doch gerade aufgrund der angespannten Budgetlage in Wien sind frühzeitige Reformschritte unumgänglich.

Quick Wins für die Wiener Mindestsicherung

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Wien schon jetzt erste Reformschritte setzen könnte, um mehr Gerechtigkeit und Effizienz zu schaffen. Einige dieser Maßnahmen wurden bereits diskutiert – mehr dazu hier

Was es jedenfalls bräuchte:

  • Deckelung der Geldleistungen: Eine Begrenzung der monatlichen Gesamtleistung wäre ein erster Schritt. Schon eine Gegenrechnung der Familienbeihilfe könnte die Kinderrichtsätze auf ein realistischeres Niveau senken. Aufgrund der gestaffelten Familienbeihilfe würde das sogar automatisch zu einer degressiven Staffelung der Kinderrichtsätze führen.
  • Wohnkostenregelung für Kinder: Bisher werden Wohnkosten in Wien nur bei einer erwachsenen Person berücksichtigt. Auch bei Kindern eine Pauschale anzurechnen, würde sicherstellen, dass die Mittel als Sachleistung direkt den Kindern zugutekommen – zumal es in Wien zusätzlich eine Mietbeihilfe gibt, die entsprechend angepasst werden könnte.
  • Skaleneffekte in Wohngemeinschaften: Zwei Erwachsene in einer Wohngemeinschaft erhalten derzeit beide den vollen Erwachsenensatz – ungeachtet gemeinsamer Ausgaben. Das sollte überdacht werden, insbesondere mit Blick auf junge männliche Geflüchtete, um Anreize zur Arbeitsaufnahme zu schaffen.

Diese Maßnahmen bringen zweierlei: dringend notwendige Einsparungen für das Wiener Budget – und vor allem mehr Gerechtigkeit für all jene, die täglich arbeiten gehen und das System tragen.

* da Wien das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz nicht umgesetzt hat, spricht man in Wien von der Mindestsicherung und nicht von der Sozialhilfe.

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