Zum Inhalt springen

Bildungskarenz NEU: 
Chance auf Neuausrichtung innerbetrieblicher Höherqualifzierung
 

Johannes Gasser
Johannes Gasser

Kaum eine arbeitsmarktpolitische Entscheidung der letzten Jahre hat so viele Emotionen geweckt wie die Abschaffung der Bildungskarenz. Während die einen von einem "sozialpolitischen Kahlschlag" sprechen, sehen wir darin eine dringend notwendige Reform. Doch worum geht es eigentlich?

Abschaffung der Bildungskarenz - Chance auf Neuausrichtung der innerbetrieblichen Höherqualifzierung 

Bildungskarenz: Eine gut gemeinte Idee mit problematischer Entwicklung

Die Idee hinter der Bildungskarenz war ursprünglich nachvollziehbar: Arbeitnehmer:innen sollten sich weiterbilden können, ohne ihren Job aufgeben zu müssen. Das AMS unterstützte sie in dieser Zeit finanziell – mit Weiterbildungsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes.

Doch über die Jahre wurde das Instrument zunehmend zweckentfremdet. Eine detaillierte WIFO-Studie zeigt, dass die Bildungskarenz zunehmend von hochqualifizierten und gutverdienenden Personen genutzt wurde. Ökonom Martin Halla meinte dazu, es habe sich zu einer "Auszeit fürs Bildungsbürgertum" entwickelt. Es sind inzwischen überwiegend Akademiker:innen und Personen mit hohen Einkommen, die von dieser Förderung profitieren, während bildungsferne Gruppen kaum Zugang haben. Die ursprüngliche Zielsetzung der Maßnahme wurde somit zunehmend verfehlt.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache

Laut WIFO-Studie ist die Inanspruchnahme der Bildungskarenz seit 2009 stark gestiegen und die Gruppe der Bezieher:innen hat sich massiv verändert:

  • Im Jahresdurchschnitt 2021 waren 13.727 Personen in Bildungskarenz - die Hälfte im Anschluss an die Elternkarenz.
  • 73 % der Teilnehmer:innen waren weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 32 Jahren.
  • Mehr als die Hälfte aller Teilnehmer:innen hatten eine höhere Schulbildung oder ein abgeschlossenes Studium.
  • Rund die Hälfte jener vorher unselbstständig Beschäftigten, die Bildungskarenz direkt nach Elternkarenz in Anspruch nahmen, verdienten zuvor mehr als 4.000 Euro brutto pro Monat.

Gleichzeitig zeigt die Studie, dass Bildungskarenz immer mehr als Exit-Szenario aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis genutzt wurde: Mehr als die Hälfte der Teilnehmer:innen war nach der Rückkehr nicht mehr beim ursprünglichen Arbeitgeber beschäftigt. In vielen Fällen wurde Bildungskarenz damit als Instrument zur beruflichen Neuorientierung genutzt – finanziert durch den Sozialstaat.

Reform statt Abschaffung? Warum es schnell gehen musste

Kritiker:innen beklagen, dass die Abschaffung der Bildungskarenz zu schnell und über Nacht kam. Doch die Wahrheit ist: Schon seit Jahren wurde auf die Fehlentwicklungen hingewiesen. Zahlreiche Reformversuche – insbesondere von den NEOS – wurden im Nationalrat abgelehnt oder vertagt.

Als die drohende Abschaffung im Raum stand, schnellten die Antragszahlen in die Höhe. Hätte man noch länger gewartet, wäre die budgetäre Belastung weiter explodiert – und das in Zeiten knapper Budgets und eines drohenden Defizitverfahrens. 

Kein Kahlschlag, sondern Neuausrichtung

Die Abschaffung der Bildungskarenz bedeutet jedoch nicht, dass berufliche (Höher-) Qualifizierung in Zukunft nicht mehr gefördert wird. Bereits bestehende Maßnahmen wie das Fachkräftestipendium, das Selbsterhalterstipendium und das Studienabschlussstipendium bleiben erhalten – mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese Maßnahmen gezielter und treffsicherer sind.

Bis Ende des Jahres soll zudem eine neue, reformierte Bildungskarenz präsentiert werden, in der die Fehler der Vergangenheit nicht fortgeführt werden:

  • Strengere Anwesenheitsverpflichtungen und erhöhte Leistungsnachweise
  • Eine klare Ausrichtung auf Geringqualifizierte
  • Eine verpflichtende Beteiligung der Arbeitgeber und mögliche Behaltefristen im Unternehmen

Fazit: Eine überfällige Entscheidung

Die Abschaffung der bisherigen Bildungskarenz war eine notwendige Konsequenz aus jahrelanger Fehlentwicklung. Sie mag kurzfristig für Unmut sorgen, doch sie schafft Raum für ein besseres, faireres System, das wirklich jene unterstützt, die es brauchen.

Die Debatte zeigt einmal mehr: Sozialpolitische Maßnahmen müssen laufend evaluiert und angepasst werden. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass sie ihren eigentlichen Zweck erfüllen – und nicht zu einer teuren, ineffektiven Parallelförderung für bestimmte Gruppen werden. Das ist gerade angesichts der angespannten Budgetsituation und einer rekordverdächtigen Steuerbelastung dringend erforderlich.

 

Weiterführende Links:

NEOS Anträge zum Thema Bildungskarenz: 

Vielleicht interessieren dich auch diese Artikel

NEO07777-7641x4298
02.05.2025Johannes Gasser5 Minuten

Größte Pensionsreform seit 20 Jahren? – Hell yeah!

Die größte Pensionsreform seit zwei Jahrzehnten nimmt endlich Gestalt an: Mit klaren Maßnahmen zur Kostendämpfung, einem verbindlichen Nachhaltigkeitsmechanismus und dem Ziel, das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben, bringen wir Verantwortung und Realismus ins Pensionssystem. Warum das längst überfällig ist – und was wir konkret umsetzen – lest Ihr hier:

Mehr dazu
NEO07826 (1)-5027x2825
26.03.2025Johannes Gasser4 Minuten

Erhöhter KV-Beitrag für Pensionist:innen: (M)ein Beitrag für eine sachliche Diskussion

Österreich steht vor schwierigen Budgetentscheidungen. Besonders umstritten ist die geplante Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionist:innen von 5,1 % auf 6 %.  Trotz Kritik halte ich diese Maßnahme für gerechtfertigt – aus mehreren wichtigen Gründen, die ich im Folgenden darlege.

Mehr dazu
NEO07494-5347x3010
08.03.2025Johannes Gasser1 Minute

Weltfrauentag: finanzielle Unabhängigkeit bleibt zentrales Ziel

Der Weltfrauentag ist ein Tag des Feierns – aber auch der Mahnung. In Österreich fällt er fast mit dem Equal Pay Day zusammen, der zeigt, dass Frauen bis dahin rechnerisch „gratis“ arbeiten. Besonders besorgniserregend: Vorarlberg hat den größten Einkommensunterschied. Für uns NEOS bleibt finanzielle Unabhängigkeit das zentrale Ziel, denn nur so haben Frauen echte Wahlfreiheit – ob in Karriere, Familienplanung oder im Leben allgemein.

Mehr dazu